Hartz 4 - Kunde oder Nummer im Jobcenter?

Veröffentlicht auf von inge.hannemann

 

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Das Jobcenter - Allgemeines


Das Jobcenter - auch ARGE genannt - ersetzt für Langzeitarbeitslose das frühere ehemalige Arbeitsamt, bevor Peter Hartz die Reform mit der ehemaligen Bundesregierung vermeintlich reformierte.

Die Langzeitarbeitslosen erhalten hier ihr Geld zum Leben. Dieses setzt sich aus der Regelleistung von 364 Euro und dem angemessenen Mietkostenzuschuss - entsprechend der Region, in der sie leben zusammen.

Bundesweit sind die Zahlen der Hartz 4 Empfänger doppelt so hoch, wie die Arbeitsuchenden unter einem Jahr. In den neuen Bundesländern kann in manchen Regionen von einer 2/3 Anzahl gesprochen werden.


Wie kann / wird ein arbeitsuchender Mensch im Jobcenter behandelt?


Eingangszone


Zur Vereinfachung wird hier die männliche Bezeichnung gewählt - Frauen sind selbstverständlich ebenso damit gemeint.


Der Ratsuchende meldet sich in der Eingangszone an. Dort teilt er mit, dass er einen Termin durch den Arbeitsvermittler / Leistungssachbearbeiter erhalten hat. Oder er kommt ohne Termin, um einen dringenden Handlungsbedarf / Frage zu klären. Hier kommt es schon häufig zu den ersten Problemen. Die Warteschlange der Ratsuchenden ist lang, keine Sitzmöglichkeiten, die Luft stickig und die Damen und Herren hinter dem Tresen wirken genervt. Es beginnt die erste Probe der Geduld und Ausdauer. „Nicht unfreundlich zu den Damen oder Herren sein, sonst bekomme ich vielleicht keinen Termin“ - ein häufiger Gedanke der wartenden Menschen.

Die Schlange reduziert sich, der Wartende darf im Wartebereich Platz nehmen. Auch hier wieder nicht genügend Sitzgelegenheiten. Es wird stehend gewartet. Schwierig für Menschen mit einem Handicap. Im Gang laufen die Mitarbeiter des Job Centers unruhig oder auch gelassen umher und der Eindruck entsteht, dass der Mitarbeiter gestresst oder gelangweilt ist. Wieso geht der Mitarbeiter schon wieder rauchen? Wieso unterhält sich der Mitarbeiter mit einem anderen Mitarbeiter? Sieht er denn nicht, dass genug Kunden warten?


Im Büro des Vermittlers


Geschafft, der Wartende wird ins Büro des Mitarbeiters herein gerufen. Es wird Platz genommen. Kurze Begrüßung. Frage nach dem Warum durch den Mitarbeiter erfolgt. Der inzwischen steif gewordene Arbeitsuchende versucht, so ruhig er kann, seinen Wunsch zu formulieren. Und nun teilt sich die Spreu vom Weizen. Wie wird er eine Antwort erhalten? Wie wird seine Frage, sein Wunsch aufgenommen? Wird er überhaupt bis zum Ende angehört? Oder erledigt der Mitarbeiter parallel dazu seine Arbeit am Computer über das System der Agentur?


Kunde oder Nummer?


Was macht den Unterschied, ob der Wartende nun als Kunde oder als Nummer behandelt wird? Dieses ist einfach zu beantworten. Einer Nummer hört man nicht richtig zu. Warum auch? Eine Nummer ist eine Sache und hat keine eigene Persönlichkeit.

Ein Kunde ist ein Mensch mit einer eigenen Persönlichkeit. Damit mit Würde, Stolz und Seele. Er kann reagieren und er kann fühlen.


Das Jobcenter


Und was ist das Jobcenter? Es ist eine Institution im Sinne einer Dienstleistung, welche zu erbringen ist. Das heißt, der Arbeitsuchende ist als Kunde zu sehen, zu behandeln und zu beachten. Die Dienstleistung lebt von ihren Kunden. Selbstverständlich wird es immer Arbeitsuchende geben und damit kann und wird diese Institution zunächst nicht in den Konkursgehen.

Und hier sollte eine Änderung im Denken der Mitarbeiter stattfinden. Die Kunden finanzieren Ihren Arbeitsplatz - gibt es keine Kunden - gibt es kein Jobcenter. Das ist eine logische Schlussfolgerung. Wie fühlen sich Mitarbeiter des Jobcenters, wenn sie unfreundlich und genervt in einer Behörde behandelt werden? Auch Mitarbeiter der Jobcenter haben mit Sicherheit auch mal Behördengänge zu erledigen.


Es ist keine Anklage - es ist eine Beobachtung und Rückmeldung von Arbeit suchenden Menschen

 

Der Bericht ist keine Anklage - bei Weitem nicht. Es ist eine Aufforderung zu mehr Menschlichkeit, Empathie und Feinfühligkeit. Nicht jeder Kunde im Jobcenter ist ein Mensch, welcher nicht arbeiten möchte. Meine Erfahrungen zeigen, dass die Mehrheit gewillt ist, etwas in ihrem Leben zu verändern. Die Struktur dieser Menschen ist zum Teil verloren gegangen. Die Hoffnungslosigkeit überlagert die Hoffnung. Es wird einfach ein bisschen Hilfe vonseiten des Jobcenters gewünscht. Auch aus eigener Erfahrung weiß ich, dass diese Menschen das zurückbezahlen. Sie nehmen ihre Termine wahr, und das ist häufig schon der erste Schritt zu einer Struktur. Sie werden von Ihren Kunden angelächelt. Sie bekommen bei einer Einladung keine Angst und sie geben eine Rückmeldung, wenn sich etwas geändert hat. Und ist es nicht schön, wenn Sie angelächelt werden, wenn Sie das Gefühl haben, für jemanden etwas Gutes getan zu haben (auch Zuhören ist viel wert) und das Sie einen Menschen so annehmen, wie er ist? Wie wollen Sie behandelt werden?


Dieses ist eine Beschreibung, wie sie tagtäglich in einem Jobcenter anzutreffen ist. Mit dieser Beschreibung soll keine Pauschalierung aller Mitarbeiter stattfinden. Die Meisten sind um einen angenehmen Ablauf bemüht. Es ist eine Beobachtung. Das Arbeiten in einem Jobcenter benötigt viel Idealismus. Idealismus aus der Sicht der Vorgaben vonseiten höherer Instanzen, aus der Sicht der Strukturlosigkeit von Arbeitsuchenden und aus der Sicht etwas ändern zu wollen. Dienst- und Handlungsanweisungen stehen dem oft gegenüber.

 

 

Mit Hartz 4 mehr Geld, als mit Arbeit?

 

Arbeitsuchende, welche sich klar dahingehend äußern, dass sie mehr Geld mit Hartz IV haben, als wenn sie arbeiten. Der stagnierende Arbeitsmarkt mit dem ständigen erhöhten Aufkommen und der Vermittlung in Zeitarbeit. Der Schrei nach einem Mindestlohn, die Vermittlung hoch qualifizierter Akademiker und Fachkräften von einem Praktikum ins Nächste sowie die Angst einer Wirtschaftskrise. Staatspleiten von europäischen Ländern, Bankencrash und Finanzkrisen machen Angst.

Eine hinzukommende Arbeitslosigkeit verändert diese Angst nicht positiv. Arbeitslosigkeit kann jeden treffen. Zahlen, nach denen vor allem 30-jährige eine erhöhte Arbeitslosenquote aufweisen, geben Menschen keinen Mut. Ältere Arbeitnehmer ab 50 Jahren entmutigen noch mehr. Ist diese Zahl, doppelt so hoch wie die der 30-jährigen. (Quelle: Bundesagentur für Arbeit).

 

So kann eine Arbeitsministerin noch lange von einer Steigung oder einem positiven Ist-Zustand sprechen, wenn die Zahl von suchenden älteren Arbeitnehmern gewissenhaft ignoriert wird.

 

Anmerkung: Autorin ist Mitarbeiterin eines Jobcenters

 

Urheberrecht: Inge Hannemann; Quelle: Inge Hannemann / Agentur für Arbeit Bild: Flickr

 

 

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